Seminar: Einführung in den Islam
von Wolfgang Schab

KJE II von St. Liborius lud zu diesem dreiteiligen Seminar ein und 25-30 Teilnehmer kamen zu den Treffen. Ausgangspunkt war die Frage:

Wieso müssen wir uns eigentlich für den Islam interessieren?

Hier nannten die Teilnehmer, dass sie eigentlich recht wenig mit Muslimen zu tun hätten, außer im beruflichen Kontext (Schule, Krankenhaus, Sozialarbeit), dass Muslime aber aus unserer Wirklichkeit nicht mehr wegzudenken seien und durch ihre Fremdartigkeit auffallen und viele Fragen aufwerfen.

Da ist die Frage nach dem Kopftuch, den Kleidervorschriften, der Rolle von Frau und Mann, der auffällige Familienzusammenhalt privat und in wirtschaftlichen Verhältnissen. Da ist der Eindruck, dass sich in den letzten Jahren wenig in Rechtung Integration bewegt, sondern eher ein Zurückziehen und eine offensivere, selbstbewusstere Re-Islamisierung zu beobachten ist. Im Sport verzeichnen die Jugendlichen oft ein größeres Durchsetzungsvermögen von z.B. türkisch-stämmigen Fußballmannschaften.

Seit dem 11. September 2001 steht die Frage nach der Gewaltbereitschaft, dem Fundamentalismus und der Rolle der Religion und Politik im Raum. Weiterhin wurde gefragt nach den politischen Interessen des  Islams und da vornehmlich das der Türken in Deutschland und Europa. Die Gefühle reichen von Eindrücken des Bedrohtseins, der Panikmache, zu politischen Ängsten, was denn in der Zukunft so alles noch auf uns zukommen wird. Aber daneben gab es auch viel Neugier und Interesse an den anderen Lebensmustern, der anderen Religion und  dem Vergleich von Islam und Christentum.

Ehemals Gastarbeiter heute nennen wir sie Migranten

Damit hatte alles begonnen. Deutschland steckte nach dem 2. Weltkrieg, nach der Aufbauphase, plötzlich in einem Wirtschaftsboom. Es gab jede Menge Arbeit und zu wenig Arbeitkräfte. Nach den Italiener, Spaniern, Kroaten kamen die Türken in großer Zahl ins Land. Vornehmlich als einfache Arbeiter, meistens vom Lande. Die Idee war anfangs: Geldverdienen und zurück in die Heimat, ein neues Leben aufbauen. Aber viele fanden den Westen und die Arbeitsbedingungen so reizvoll, dass sie blieben und hier heimisch wurden. Die Frauen wurden nachgeholt und es kamen Kinder zur Welt. Damit trat die Frage für islamische Familien nach Erziehung und Religion in den Vordergrund. Es wurden Moscheen gebaut, Imame (Vorbeter) und Hodscha (geistliche Lehrer) geholt und Gemeindeleben entfaltete sich mehr und mehr. Ein Teil der Muslime wurde westlich und liberal, ein andere Teil besann sich auf seine muslimen Wurzeln und wurde traditionell .

Wer die Muslimen kennen lernen und verstehen möchte, muss sich mit dem Propheten Mohamed, der Offenbarung Allahs, des All-Einzigen, dem Koran und dem islamischen Rechtsgefüge, der Scharia beschäftigen.

Seit dem Tod Mohameds, im Jahre 632 n. Chr., breitete sich der Islam vom vorderen Orient um das ganze Mittelmeer und in Asien aus.

Was macht den Islam aus? Was ist der Islam?

Er ist keine Kirche und keine Konfession, sondern eher ein über-nationales „Religionsvolk“. Es gibt viele verschiedene Richtungen. Verbindend ist:

  • das gemeinsame Glaubensbekenntnis an den einen Gott, seinen Propheten Mohamed und die Rechtleitung durch die Scharia,

  • der Koran als die unverfälschte Offenbarung Gottes,

  • die Reinigung, das Gebet und Fasten, die Wallfahrt nach Mekka,

  • eine eigene Zeitrechnung,

  • arabisch als Gebetssprache,

  • das Familien- und Erbrecht,

  • die Beschneidung für Jungen,

  • Speisevorschriften und Kleiderregeln.

Scharia als Weg

Ein langer Weg von einer koranischen Ethik zur gelebten Praxis, so schreibt Melanie Miehl im Pastoralblatt 2/02. In der Tat geht es in der Frage des sittlichen Handeln um einen Weg im Islam: Scharia, der Weg zu den Quellen, ist der Begriff, mit dem Muslime das Gesamtsystem ihrer Handlungsoptionen beschreiben.

Scharia ist das islamische Recht, das in umfassender Weise die individuelle und kollektive Lebenswirklichkeit der Muslime in den Blick nimmt. Daher vereint der Begriff der Scharia so Unterschiedliches wie

  • den Bereich der religiösen, sprich gottesdienstlichen Handlungen,

  • den Bereich des Vermögensrechtes, des Familien-, Ehe-, Erb- und Strafrechtes, sowie

  • den der Positionierung nicht-muslimischer Minderheiten im Islamischen Staat.

Nach dem 11.September sahen sich die muslimen Gruppierungen in Deutschland gezwungen, in einer Charter Islams ihre Positionen offenzulegen: u.a. die Anerkennung des deutschen Grundgesetzes und der deutschen Verfassung. Nicht alle Gruppen haben sich dem angeschlossen.

Spannend bleibt die Frage nach gegenseitiger Toleranz und dem Respekt vor der Religionsfreiheit, die oft in den Ursprungsländern nicht garantiert ist. Trotzdem werden wir hier in Deutschland aufpassen müssen, dass wir auf der einen Seite keinen Rassismus dulden und Vorschub leisten aus Angst und Unsicherheit gegenüber dem Fremden, andererseits aber auch nicht aus falschverstandener Toleranz unsere christlichen Wurzeln und Werte kampflos opfern.

Neben der menschlichen Begegnung, die auch wir in der Gastfreundschaft durch den Vorsitzenden des islamischen Moscheevereines in der Zentralmoschee in Bochum erfahren durften, muss um nachbarschaftliche und politische Interessen auch gestritten werden dürfen. Kein leichtes Unterfangen.